Ich erinnere mich noch genau an den Tag, an dem ich recht spontan die Entscheidung traf, nach Prag zu ziehen. Es war der 1. Dezember 2018, ein kalter, sonniger Wintertag. Ich hatte gemeinsam mit einigen Künstlerkollegen eine Ausstellung in einer Galerie in Bratislava, der Hauptstadt der Slowakei, eröffnet und wollte auf dem Rückweg ein paar Tage in Tschechien verbringen.
Ich übernachtete am Stadtrand von Prag, in einem einfachen, aber charmanten Hotel auf dem Gelände des Břevnov-Klosters. Früh morgens weckten mich die typischen Geräusche des Schneeschippens – ein Geräusch, das mich sofort in meine Kindheit zurückversetzte. Ich fühlte mich sofort gut gelaunt, denn ich liebe Schnee, besonders wenn er liegen bleibt und alles unter einer dichten, flauschigen Schicht begräbt. Nach dem Frühstück machte ich mich auf zu einem langen Spaziergang durch die verschneite Stadt. Während ich durch die Straßen wanderte, dachte ich über die vergangenen Monate nach – eine Zeit voller intensiver Erlebnisse, aber auch Erschöpfung und Frustration.
Meine langjährige Beziehung hatte schon seit einiger Zeit nicht mehr richtig funktioniert, und trotz eines wunderbaren Urlaubs in New York schien es keine gemeinsame Zukunft mehr zu geben. Künstlerisch arbeitete ich unermüdlich und eröffnete praktisch alle zwei Wochen eine neue Ausstellung – sei es meine eigene oder eine fremde – doch ich trat gefühlt auf der Stelle und kam einfach nicht richtig voran. Zudem stand meine Anstellung als Leiterin eines Kinderkunst-Ateliers auf der Kippe, da die Fördergelder für das kommende Jahr nicht bewilligt worden waren.
Ich befand mich also in einer Art Krise, ohne zu wissen, wie es weitergehen sollte. Irgendwo auf Höhe der damals verfallenen Nusle-Brauerei spürte ich plötzlich, wie sich mein innerer Kompass neu ausrichtete. Die Nadel zeigte auf Prag. Und warum eigentlich nicht?
Schon seit meinem ersten Besuch zwanzig Jahre zuvor war es meine absolute Lieblingsstadt. 1999 war ich sogar einmal für eine Woche dorthin „ausgerissen“. Damals jedoch war der wirtschaftliche Unterschied zu groß, und ein tatsächliches Auswandern kam nicht in Frage. Inzwischen war die Situation eine andere: Die Gehälter waren gestiegen, die Arbeitslosenquote extrem niedrig, und Menschen mit Deutschkenntnissen wurden gesucht. Zudem hatte ich jahrelang aus Spaß Tschechisch an der Volkshochschule gelernt und durch zahlreiche Ausflüge und Projekte das Land und seine Menschen besser kennengelernt.
Und so fasste ich an diesem Tag einen Entschluss, der mein Leben grundlegend verändern und unglaublich bereichern sollte. Noch am selben Abend lernte ich meinen späteren Vermieter und guten Freund kennen. Ein halbes Jahr später zog ich nach Prag. Es folgten drei Jahre voller Höhen und Tiefen – neue Freundschaften, das Prager Nachtleben, Konzerte, Eifersucht, die Covid-Pandemie, Isolation und weitere Lebenskrisen. Abwechslungsreicher als jede Seifenoper.
Und dann begann wieder ein neues Kapitel: das Leben auf dem Land.
Es gibt noch so viel zu erzählen – darüber, was hier großartig ist, was weniger, wie es sich als Künstlerin auf dem Land lebt und vieles mehr. Doch das hebe ich mir für die nächsten Blogeinträge auf.